calling in.



Kein: Jemanden zur Rede stellen.

Vielmehr ein: Jemanden beiseite ziehen. 

Calling out bedeutet: Jemand sagt etwas, das ich als problematisch erachte. Also stelle ich deren Meinung in Frage. An Ort und Stelle. Egal, ob Menschen um uns herum sind oder nicht. Ich fange eine Diskussion an und beanspruche die Meinungshoheit darin für mich. In den meisten Fällen. Eine Taktik, die auch ich schon angewandt habe. Vor allem dann, wenn es nicht mehr anders ging. Mir die angestaute Wut oder Fassungslosigkeit zu Kopf gestiegen ist. Ob der Unreflektiertheit oder Unüberlegtheit der anderen Person.

Calling in hingegen meint: Jemand sagt etwas, das ich als problematisch erachte. Und ich werde die Person auch darauf ansprechen. Aber ich achte auf die Situation, die Atmosphäre die gerade herrscht. Und am ehesten werde ich die Person zur Rede stellen, wenn wir alleine sind, oder in einem angenehmen Umfeld, in dem sich niemand vor anderen bloßgestellt fühlen muss.
Das ist wichtig, denn: 


„[...] calling in means speaking privately with an individual who has done some wrong, in order to address the behaviour without making a spectacle of the address itself. [...] Call-out culture can end up mirroring what the prison industrial complex teaches us about crime and punishment: to banish and dispose of individuals rather than to engage with them as people with complicated stories and histories.”


Schon einmal eine Person vor anderen Leuten zur Rede gestellt? Weil sie sich wie ein Arschloch verhalten hat? Diskriminierendes Zeug von sich gegeben hat? Oder sonst wie ein wenig daneben lag mit ihrer Wortwahl (oder Handlung)? Wie ist diese Situation dann ausgegangen?

Ein Zwischenfall, der mir sehr in Erinnerung geblieben ist:
Oberstufe. Der Kurs befindet sich schon im Raum, Lehrerin ist noch nicht eingetroffen. Mitschüler X betritt die Klasse und fängt lautstark an, sich zu beschweren. Über ein unbekanntes Mädchen. Eine H*re nennt er sie. Dieses und ähnliche Worte hat er schon öfter in den Mund genommen und immer hatte ich mich weggeduckt. Jetzt geht es nicht mehr. Ich erhebe meine Stimme. Etwas im Rahmen von, ob er denn wüsste, wie sexistisch diese Aussagen seien und dass es echt nicht cool sei, so zu reden. Er und der Rest des Kurses sind perplex. Mir fällt auf: Niemand sonst sagt etwas, stimmt mir zu. Aber das ist Nebensache. Person X geht nämlich jetzt in die Defensive. Seine Argumente sind lächerlich. Er könne meine Reaktion gar nicht verstehen, wir seien doch beide schließlich links. Und noch etwas von wegen, dass das Wort „H*re“ auch in der Bibel stehe und daher legitim sei oder so. Ist eigentlich auch egal. Was hier wichtig ist, ist diese defensive Haltung, die er sofort eingenommen hat. Wir kommen gar nicht dazu, miteinander zu diskutieren, da seine Gedanken gerade ganz woanders sind. Er fühlt sich angegriffen. Ein Sexist zu sein ist immerhin kein Kompliment. Er muss sich rechtfertigen. Wahrscheinlich seine Haltung auch vor den anderen Personen im Raum bewahren.

Auch wenn ich im Grund sehr stolz darauf bin, immerhin etwas gesagt zu haben und nicht wie so oft wie alle anderen einfach schweigend dagesessen habe. Seitdem beschleicht mich immer wieder dieses „was wäre, wenn“. Was wäre, wenn ich nicht sofort das Schlagwort „sexistisch“ in den Raum geworfen hätte. Was wäre, wenn ich nach dem Unterricht noch einmal zu ihm gegangen wäre und mit ihm über meine und am besten seine Beweggründe gesprochen hätte? Vielleicht hätte er mehr aus diesem Zwischenfall mitgenommen als dass er mal von einer Mitschülerin zum Sexisten verschrieen worden ist. 

(und ach so ja. irgendwie poste ich jetzt ja doch wieder was. hm.)

Kommentare

  1. Ich finde es zum Beispiel nicht gut, wenn man jemanden vor anderen zur Schnecke macht. Oder ihn ernsthaft kritisiert; für seine Arbeit zum Beispiel. Dann ist es wirklich besser ein ruhiges und privates Gespräch zu suchen.
    Aber wenn sich jemand wie ein A*** aufführt, dann darf man das auch mal sagen. Auch mal vor allen. Ich finde man ist in solchen Situationen viel zu oft sprachlos...

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