Melancholie.
Oder: Wenn Fiktion dein Leben metaphorisch darzustellen
scheint.
Ich hatte viel Zeit in den letzten Wochen. Zu viel Zeit. Und
irgendwie auch nicht. Viel muss geplant werden, vieles bedacht. Mein Kopf fühlt
sich schwer an vor lauter Zukunft. Da ist wenig Platz für das Jetzt und noch
viel weniger Platz für Parallelwelten, für Träumereien und
Gedanken-in-schöne-Worte-fassen. Wofür aber Platz ist: Ganz viel Kitsch.
Jedenfalls habe ich das in letzter Zeit gelernt, über meinen Kopf.
Wer Kitsch sucht, der wird todsicher fündig in dem anscheinend immer
mehr an Beliebtheit gewinnenden Genre des K-Drama. Abkürzung für: Koreanisches
Drama. In Korea, da scheinen viele Menschen viel zu geben auf die große Liebe. Und Drama. Meine
Schwester und ich wurden vor einiger Zeit auf die Serie Reply 1988 gestoßen. Sie spielt, soweit ich das verstanden habe, in
einem Vorort Seouls, der Ssangmundong heißt, und handelt von der Jugend von fünf
Nachbarschaftsfreunden Ende der 1980er. (Außerdem geht es darum,
herauszufinden, wen das einzige Mädchen aus dem Quintett schlussendlich
heiraten wird. So ein wenig How I Met Your Mother mäßig mit vielen in die Irre
führenden Anspielungen, wenn man sich nicht spoilern lässt. Aber das ist
hier Nebensache.)
Denn was wohl am wichtigsten an der Serie ist, oder was,
jetzt wo ich sie komplett geschaut habe, mir am wichtigsten erscheint, ist das
Festhalten der Jugend. Denn Jugend „scheint nur für einen kurzen Augenblick blendend
hell. Zu ihr zurückkehren wird man nie wieder können“. Und während diese
Phrasen mächtig abgedroschen klingen und es auch sind – im Endeffekt handelt es
sich eben um eine ganz schön schnulzige Serie – gerade jetzt treffen sie mich
ganz schön hart.
In zwei Monaten fange ich an zu studieren. Ich werde nach
Hamburg ziehen, um mich dort der Soziologie und der spanischen Sprache näher zu
widmen. Und während Hamburg tatsächlich meine Heimatstadt ist und ich viele
liebe Freunde und Erinnerungen dort habe, so werde ich für diesen Schritt doch
von meinen Eltern und meiner Schwester wegziehen müssen. Werde Menschen
verlassen, die mich mein gesamtes Leben lang
begleitet haben. Wenn ich sie auch noch oft genug sehen werde, so bedeutet
dieser Schritt für mich (viel, viel mehr als der Schulabschluss), dass eine
große Phase meines Lebens vorbeigeht.
Mein Leben ist nicht rosig und auch nicht
immer bunt, aber ich fühle mich wohl mit meiner Familie. Fühle mich wohl in dem
Alltag, den wir gemeinsam bestreiten und in den gemeinsamen Erinnerungen, die
uns stärker als alles andere verbinden. Wenn ich einmal endgültig aus unserer
Haustür hinausgetreten bin, um die eine Fahrt nach Hamburg anzutreten, dann
wird dieses Zimmer, in dem ich jetzt sitze, nicht mehr mein zu Hause sein. Und
es wird sich auch anders anfühlen, mit meinen Eltern und meiner Schwester
zusammen zu sein. Ich weiß das. Ich habe ganz ähnliches vor genau sechs Jahren
mit unserem Umzug aus Hamburg hinaus schon einmal erlebt. Die Entfremdung. Die
Erinnerungen, die immer mehr verbleichen. Vielleicht ist mir Schreiben und
Fotografie deshalb auch so wichtig. Ich weiß, wie schnell Momente zu
Erinnerungen und schließlich zu nebulösen, weit entfernten Bildern werden.
Aber: Es geht ja gleichzeitig immer voran. „PROGRESS“, wie
ein Foto, das ich in meinem Zimmer aufgehängt habe, ebenso verkündet.
Fortschritt ist nicht schlecht. Melancholie darf man trotzdem haben. Eben wie
Duk Seon, das Mädchen aus der Nachbarschaft in Seoul, und ihr (geheimnisvoller)
Ehemann, deren Erinnerungen den Inhalt der Serie bilden.
(Auch das Foto an meiner Wand ist mehrdeutig, genauso wie Fortschritt selbst: PROGRESS steht zwar darauf. Aber das Wort ist auf bloße Pappe geschrieben, die von einem Menschen im Meer hochgehalten wird, um sie vor herannahenden Wellen zu retten. Der Mensch geht dabei mehr oder weniger im Wasser unter.)
(Auch das Foto an meiner Wand ist mehrdeutig, genauso wie Fortschritt selbst: PROGRESS steht zwar darauf. Aber das Wort ist auf bloße Pappe geschrieben, die von einem Menschen im Meer hochgehalten wird, um sie vor herannahenden Wellen zu retten. Der Mensch geht dabei mehr oder weniger im Wasser unter.)
ich kommentiere hier viel zu selten, obwohl ich wirklich jeden post lese, den du veröffentlichst. ich mag deine worte sehr gerne, vor allem dieses gefühl, dass man seine jugend irgendwie festhalten muss kenn ich nur zu gut!
AntwortenLöschenich fange auch im oktober an zu studieren und hatte mich unter anderem auch in hamburg beworben, mich aber dann für lüneburg entschieden - aber ist ja immer noch ziemlich nah an hamburg :)
Über deine Worte freue ich mich wirklich sehr! Ich habe sie in Wahrheit schon vor einiger Zeit gelesen, verschlunze es aber irgendwie viel zu oft, dann auch sofort zu antworten... Ich trage deine warmen Worte jedenfalls schon einige Zeit mit mir. :)
LöschenHey, wie cool! Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja was. :)