Erinnerungen meiner Oma





....die Bombe die im Haus gegenüber niederging als sie ihren Vater im Krieg in ihrer Heimatstadt besuchte und mit ihm und anderen im Keller saß und einen schweren Stahlhelm auf dem Kopf trug....die Hitler-Büste, die Verwandte nach dem Krieg tief im Garten verbuddelten....die zwei Häftlinge (vermutlich aus einem "Arbeits"lager), die in ihr Dorf kamen und manchmal bei ihrer Familie mitaßen und das Spielzeugbügeleisen, das einer von ihnen ihr schenkte....die erste Banane, die sie aß, von ihrer Lehrerin mit der gesamten (etwa 50-köpfigen) Klasse geteilt ....der erste Schwarz-Weiß-Fernseher, auf dem sie mit ihrer Schwiegermutter Eiskunstlaufen schaute, während ihr Sohn (mein Onkel) im Nebenzimmer schlief...die Aprikosenmarmelade, die sie mit ihrer Schwiegermutter zubereitete, als ihre Wehen einsetzten....ihr Hund, den sie als junge Frau hatte, und der sich auf die Schienen vor die Straßenbahn stellte, in der sie saß, während sich die Mitfahrer um sie herum aufregten....die Hochzeit meiner Eltern, auf der ich vor meinem Kindergarten (und vor ihr) stolz verkündete: "WIR heiraten heute!"....das erste Handy, das sie besaß, und ihr Erstaunen darüber, dass es funktionierte....Das Basketballspiel, an dem mein Opa teilnahm und das Spiel über jeglichen Gegner, der ihm in den Weg kam, foulte, während sie beschämt in den Zuschauerrängen saß und die Kommentare von den Menschen um sie herum über sich ergehen lassen musste....die Jacke, die sie sich bei C&A nach dem Krieg kaufen musste, weil es keine andere mehr gab, und die total häßlich aussah...ihre Tante Ali, die ihre Mutter ersetzte, welche schon sehr früh gestorben war....Ihr Bruder, der nach dem Krieg eine kaputte Uhr an amerikanische Soldaten verscherbelte....die vielen Reisen nach Cannes und in andere Regionen Frankreichs, Englands und Osteuropas, die sie mit dem Reisebusunternehmen machte, das ihr und ihren Mann gehörte....

*****

Erinnerungen sind super wichtig, finde ich. Sie, oder zumindest die Fähigkeit, unsere Erinnerungen festzuhalten oder weiterzugeben, sind das, was uns als Menschen ausmacht.
Mit meiner Oma hat sich seitdem sie in meiner Nähe wohnt fast schon so ein Ritual etabliert. Nach der Schule gehe ich mit meiner Schwester zu ihr und wir essen gemeinsam, während sie uns von ihrer Vergangenheit erzählt. Immer mal wieder kleine Schnipselchen. Hervorgerufen durch unsere Unterhaltungen. Ich bin inzwischen verdammt traurig, dieses Ritual nie mit dem Rest meiner Großeltern gehabt zu haben, als es noch ging...
Und deshalb finde ich es wichtig, Erinnerungen zu teilen. Anderen von Erlebnissen erzählen und diese von ihren eigenen Erlebnissen erzählen zu lassen. Im Gespräch bleiben. Sich erinnern.

(Hiermit verweise ich übrigens nochmal zu einem alten Post von mir, einfach weil der so gut zum Thema passt...)

Kommentare

  1. Ich finde es auch sehr schön, wenn man mit seinen Großeltern solche Erinnerungen teilen kann. Ich habe meine zum Glück auch recht nah bei mir, aber letztlich nimmt und hat man dann doch viel zu selten Zeit für solche Rituale. Das ist echt schade. Aber ich habe auch noch eine recht junge Oma, die auch noch arbeitet. Von dem her erreiche ich sie fast besser auf What'sApp als wenn ich persönlich vorbei komme.. ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das stimmt leider... Und deswegen ist es umso schöner, wenn man von der Zeit, die man miteinander hat, viel mitnimmt. :)
      Für WhatsApp ist meine Oma leider schon ein wenig zu alt, aber ich stelle mir das ganz angenehm vor, auch so vernetzt zu sein. Das ist echt ein großer Vorteil dieser Zeit!
      xxxx

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Deine Gedanken: Jedes (konstruktive) Wort ist erwünscht!

Beliebte Posts