Der Baum.

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Ich habe eine Gedenkstätte besucht. Ehemals eine israelitische Gartenschule gewesen, war sie im Nationalsozialismus schließlich als Sammelpunkt von zu deportierenden Juden und als Gestapo-Gefängnis missbraucht worden.

Um der Gartenschule zu gedenken, verfügt die Gedenkstätte noch immer über einen recht großen Garten. Und in diesem Garten da steht ein Baum. Ein sehr alter Baum, der nämlich schon vor circa hundert Jahren dort gestand hat. Auf zahlreichen Fotos ist er im Hintergrund zu erkennen.

Dieser Baum ist, genauso wie viele menschliche Zeitzeugen auch, gezeichnet von der Nazi-Diktatur.

Er hat einen tiefen Riss, der sich den gesamten Stamm entlangzieht. Dieser Riss, so wird gemutmaßt, ist entstanden als die Gestapo kurz vor dem Eintreffen der Alliierten wichtige Dokumente in der Nähe verbrannte. Die Hitze muss so stark gewesen sein, dass der „stumme“ Zeitzeuge aufplatzte.

Er hat sich erholt. Der Stamm ist trotz allem gewachsen, neue Äste sind gesprossen und der Baum – eine Kastanie – hat inzwischen eine große Krone und wirft jeden Herbst sehr viele Kastanien ab, die den Boden des Geländes bedecken.

Aber seine Narbe ist noch zu sehen. Eine breite Spalte, die ein winziges Zeugnis von den Gräueln, die auch an diesem Ort begangen wurden, abgeben mag.

Derjenige, der mich und meine Gruppe herumgeführt hat, hat diesen Baum als Metapher benutzt. Für ihn stellt dieser Baum das Leben vieler Menschen und Familien dar, das durch den Nationalsozialismus fast entzweigerissen wurde.

Mit der Zeit sind die Überlebenden weiter gewachsen – haben selber Familien gegründet, sind ihren Träumen nachgegangen, haben ihr Leben gelebt – aber die Narbe wird nie ganz verschwinden und es wird Zeiten geben, in denen sie besonders hervortritt.

Mir hat dies einiges zu denken gegeben und deswegen wollte ich die Geschichte des Baumes (stellvertretend für so viele Menschen!) hier teilen. Was sind deine/eure Gedanken?

Kommentare

  1. Ich finde es schön, den Baum als Metapher zu verwenden und es ist vor allem immer beeindruckend, wenn man sich bewusst macht, wie viel mehr der Baum schon "gesehen" hat und wie klein man selber daneben ist.
    Die Zeichnung ist richtig heftig gut, hast du die gemacht?

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    1. Auf jeden Fall. Ich wünschte nur, dass sich mehr Menschen die Zeit nehmen würden, sich ihrer "Kleinheit" zum Beispiel angesichts diesen einen Baumes, bewusst zu werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es dann weniger Konflikte zwischen Menschen gäbe.

      Nein, leider ist das nicht meine Zeichnung. :D Die habe ich von weheartit, weil sie einfach zu sehr gepasst hat, als dass ich hätte vorbeiscrollen können

      (Nocturnal Peace also, ja? :D)

      xxx

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